KARLHEINZ-KNÖDLER-PREIS (Preisträger), III. Ellwanger Kunstausstellung, Kunstverein Ellwangen

Ausstellungsfoto
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Ulrich J. Wolff, der aus Schwaigern stammende Lehrer für Radierung und Siebdruck an der Kunstakademie Karlsruhe, ist Maler und Grafiker, in erster Linie bekannt durch seine bestechenden Radierungen, die alle, auch experimentellen Möglichkeiten dieser Technik, Ätzung in unterschiedlichsten Verfahren, Kaltnadel, aber auch die Prägung in einer stets durchdachten und spannungsvollen Komposition zum Tragen bringen. Über viele Jahre hinweg ist der Motivkanon seiner Bilder von einfachen Formen bestimmt, die sich aus dem auch auf zahlreichen Reisen Gesehenen speisen, dem Erinnerten, Eingeprägten, nicht aber als narrative Dinglichkeit auftreten, sondern als bildstrukturierende Konstruktionen und Kompositionselemente. Diese sind auch in der Radierung eher von malerischer als von grafischer Qualität, wie denn auch der Künstler selbst seine Radierungen als Malerei auf Zink verstanden hat

 

Mit seiner Installation „Täter / Opfer“ aus neuen Fotoradierungen und einem Textblatt im Siebdruck für die Ausstellung „Entladung – Aufladung“ greift Ulrich J. Wolff ein internetrecherchiertes Thema auf, dessen Bildmaterial er auf fototechnischem Wege auf Zinkplatten übertragen und in seinem ureigensten Medium, der Radierung, bearbeitet und schließlich gedruckt hat. Der hinzugefügte Text ist ein Ausschnitt aus dem Werk „Serienmörder im Europa des 20. Jahrhunderts“ von Jens Haberland, den der Künstler ebenfalls aus dem Intenet heruntergeladen hat. Dieser lässt die Beziehung zwischen den auf den Fotoradierungen Dargestellten erahnen, wenngleich die Überarbeitung der Internetvorlagen durch Ulrich J. Wolff die Eindeutigkeit der Zuordnung wanken macht.


Zwei der Dargestellten aber sind deutlicher in ihren Gesichtszügen zu erkennen als die restlichen, die schemenhaft aus dem Grund auftauchen. Diese anderen lassen noch kindliche Proportionen des Gesichtes, ein Lächeln oder gar Lachen, eine verstellte Haltung vermuten. Die einen nun sind die Täter, die zur Entstehungszeit der Aufnahmen noch Lebenden, die Anderen sind die Opfer, die nur noch in den Bildern ihrer Angehörigen zu fassen sind. Das Erinnern lässt, anders als Fotografien, die bildliche Vorstellung mit der vergehenden Zeit verblassen, schemenhaft werden. Nur vage noch sind dann die Gesichter der Toten gewärtig. In Ulrich J. Wolffs Bearbeitung, der Vergrößerung der Internetbilder, die eine Grobpixelung und damit Auflösung der Formen mit sich bringt, der teilweisen Doppelung und Spiegelung der Opfer ist dieses Verblassen, welches zugleich eine formale Destruktion des Sichtbaren nach sich zieht, die malerisch-grafische Fassung des seinerzeit Unfassbaren. Die Opfer sind dem Leben und damit der Wahrnehmung entrückt, sind Erloschene.


Die Täter hingegen stehen deutlich sichtbar im Vordergrund, ihre Gesichter sind auch in Ulrich J. Wolffs Fassung erkennbar und individuell charakterisiert. Myra Hinleys Portrait, das Portrait einer Serienmörderin, wurde nach der Entdeckung ihrer Taten 1966 aufgenommen und avancierte zum personifizierten Symbol des Bösen. Sie teilt das Schicksal aller Täter, im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen und auch zu bleiben, wie andererseits auch die Opfer dieses Falles das Schicksal aller Opfer erleiden, nämlich in Vergessenheit zu geraten.


Indem Ulrich J. Wolff genau diesem Umstand in seinen Radierungen Ausdruck verleiht, zugleich aber auch die vermeintlichen Spuren der Zeit, die über die Bilder hinweggegangen ist, als oberflächliche Verletzungen, Kratzer, Flecke, Verschmutzungen in die Kompositionen aufnimmt und so den Eindruck dokumentarischer Originale vorgibt, bringt er mit seiner Installation „Täter / Opfer“ die öffentliche Sicht eines Ereignisses mit der privaten Wahrnehmung und Bewahrung desselben in ein und denselben Bildern zum Ausdruck. Es ist schwer zu unterscheiden, in welchem Moment die Beschwernis durch die Teilhabe an dem Vorgestellten erfolgt und in welchem Moment die Entlastung durch die Dokumentation und deren Ablegbarkeit eintritt. In und mit Ulrich J. Wolffs Werk bleibt man ein Hin- und Hergerissener.


Otto Pannewitz, Sindelfingen

Katalogbeitrag zur III. Ellwanger Kunstausstellung 2006 (Preisträger)